Trouvaillen aus dem Schulblatt-Archiv
Franz Gloor arbeitete in den Jahren 2000 bis 2009 mit der Redaktion des Schulblatts für die Kantone Aargau und Solothurn zusammen. Er führte nicht nur Auftragsarbeiten aus, wie etwa Portraitbilder von Lehrpersonen oder Dokumentationen von Anlässen, er stellte der Redaktion auch eine grosse Anzahl Fotos zur Verfügung, die je nach Bedarf eingesetzt wurden.
Im so entstandenen Archiv finden sich auch Bilder von Gloors früherem Geschäftspartner Roland Schneider (1939-2022). Die beiden Fotografen arbeiteten von 1972 bis 1990 eng zusammen. Manche der Fotografien im Archiv des Schulblatts stammen aus dem gemeinsam geschaffenen Fundus und tragen auf der Rückseite denn auch den gemeinsamen Stempel der beiden Fotografen.
Ausstellung im Kulturraum Mokka-Rubin
Der Verein Archiv Olten präsentierte vom 27. Oktober bis am 11. November 2023 im Kulturraum Mokka-Rubin In Olten eine Auswahl aus dieser Sammlung. Kuratiert wurde die Ausstellung von Kunsthistorikerin Roswitha Schild, die Produktion übernahm der Fotograf Florian Amoser.
In Absprache mit dem Verband Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO) konnten die Bilder nach Realisierung der Ausstellung dem Historischen Museum Olten übergeben werden, wo das Werk der beiden Fotografen seit einigen Jahren beheimatet ist.
Die Ausstellung im Mokka-Rubin wurde fotografisch von Florian Amoser dokumentiert.
Es freut mich sehr, Sie heute Abend zur Eröffnung der Ausstellung «Trouvaillen aus dem Schulblatt-Archiv» begrüssen zu dürfen. Diese Ausstellung ist in erster Linie dem Engagement von Martin Schaffner, dem Präsidenten des Vereins Archiv Olten, zu verdanken. Er übernahm den Verein, nachdem dieser über Reibereien im Vorstand bezüglich der zukünftigen Ausrichtung in Ohnmacht gefallen war. Martin Schaffner verheddert sich nicht in Fünf-Jahres-Plänen, sondern versteht seine Aufgabe zum guten Glück pragmatisch, indem er einfach tut, was sich anbietet und Sinn macht. Als die Redaktion des Schulblatts Aargau und Solothurn dem Verein ihr Fotoarchiv übergab, war ihm dies ein willkommener Anlass, um wieder einmal öffentlich Fotos von Franz Gloor – dem eigentlichen Spiritus Rector des Vereins Archiv Olten - zu zeigen.
Franz Gloor hatte im Jahr 2000 die Bildgestaltung des Schulblatts übernommen, nachdem diese 14-täglich erscheinende Lehrerzeitschrift der Kantone Aargau und Solothurn vorher vor allem Bilder von Amateuren verwendet hatte. Für das Titelblatt fotografierte Franz Gloor jeweils eine Lehrperson, manchmal auch Schülerinnen und Schüler. Weiter dokumentierte er fotografisch zahlreiche Schulanlässe in den beiden Kantonen. Daneben steuerte er für viele Beiträge Bilder aus seinem eigenen Archiv bei, die eher assoziativ zum Artikelinhalt ausgewählt wurden. So sammelten sich über die Jahre weit über tausend Fotos in der Redaktion des Schulblattes an. Nachdem Franz Gloor schon seit Ende seiner Ausbildung, also nach seiner Fotografenlehre bei Werner Erne in Aarau und dem gleichzeitigen Besuch der Fotoklasse an der Kunstgewerbeschule Zürich sowie dem Volontariat bei Wolf-Bender’s Erben, ebenfalls in Zürich, nachdem er also von 1972 an in einer Ateliergemeinschaft mit dem neun Jahre älteren Fotografen Roland Schneider am Stalden in Solothurn arbeitete, fanden auch einige Fotos von Roland Schneider den Weg in das Archiv des Schulblatts, meist mit dem Stempel beider Fotografen auf der Rückseite. Zu Beginn war diese schliesslich 18-jährige Zusammenarbeit für beide Fotografen sicher ein Glücksfall. Der an der Folkwang-Hochschule für Gestaltung in Essen bei Otto Steinert ausgebildete Fotograf Roland Schneider genoss zu diesem Zeitpunkt schon einige Anerkennung, insbesondere als Industriefotograf, und war wohl froh, musste er die damals zahlreichen Aufträge aus der Industrie nicht alleine bewältigen. Und der damals in seinen 20ern stehende Gloor war bestimmt zufrieden mit der guten Auftragslage und dem inspirierenden Austausch mit dem schon erfahreneren und ambitionierten Fotografen. 1985 noch erarbeiteten sie gemeinsam eine Fotobroschüre zum Thema «Lernen» für die Solothurnische Handelskammer, dies schon als Fundus für die spätere Arbeit Gloors für das Schulblatt.
Die gemeinsame Autorenschaft, am Anfang der Zusammenarbeit als zeitgemässes Statement ausgelobt, belastete im Laufe der Jahre die Beziehung der so unterschiedlichen Charaktere. Die Zusammenarbeit endete um 1990, vermutlich als Spätfolge eines Zusammenbruchs Schneiders.
Im Zentrum von Franz Gloors Schaffen steht der Mensch. Und ganz elementar war sein Anspruch, diesen Menschen wahrhaftig darzustellen. Es gelang ihm virtuos, sich selbst und seine Kamera unsichtbar zu machen, um zu erreichen, dass die Menschen sich nicht verstellten. Nicht das kompositorisch perfekte Bild war sein Ziel, sondern die authentische Widergabe menschlicher Befindlichkeit. Da jeder Mensch von irgendwoher kommt und in eine ungewisse Zukunft geht, war Bewegung, waren Licht und Schatten, war ein unkonventioneller Bildausschnitt, der Spekulationen über das Woher und Wohin Raum lässt, typisch für Gloor. Die Berechtigung eines Bildes als gültige Bildschöpfung erschloss sich ihm in dessen Wahrhaftigkeit, nicht in dessen «Schönheit». Expressiv mag man seine Bilder nennen und vor allem empathisch. Er selbst bemerkte gegenüber Peter André Bloch, mit dem er wiederholt zusammenarbeitete, dazu: «Ich fotografiere dort, wo niemand hinschaut. Ich betrachte meine Fotos, denke mir Geschichten, Lebensläufe aus und träume… Was heisst Lebenssinn? Was Glück? Was Erfüllung?» Und weiter: «Meine Bilder stellen sich wie von selbst zusammen; aber ich muss auf sie warten – manchmal stundenlang: bis es für mich und die Bildsituation und den Gesamtkontext (…) stimmt. Sonst gibt es etwas Banales, Künstlich-Schrilles; ich aber möchte das in sich Wahre zeigen, keine inszenierte Kulissenwelt.»
Franz Gloor empfand sich folglich nicht als Fotokünstler, sondern als Fotoarbeiter. In dieser Herangehensweise war er womöglich derjenigen des Fotografen und Sammlers historischer Aufnahmen der Region Olten Werner Rubin (1909 – 2004), der 1930 das Fotogeschäft von Friedrich Emil Aeschbacher übernahm, das sich in diesen Räumen hier befand, näher als derjenigen seines Atelierpartners Roland Schneider. Dieser reklamierte zwar für sich eine menschenfreundliche Fotografie, verstand sich aber letztlich als Künstler, der über sein «Material» zugunsten einer gültigen Darstellung verfügen durfte. Beide Haltungen haben ihre Berechtigung, beiden Haltungen begegne ich mit Respekt.
Es soll nicht verhehlt werden, dass sich die Bilder der beiden Fotografen im Lauf der Jahre anzugleichen begannen, dass beiden klar war, dass sie sich eigentlich wunderbar ergänzten. Selbst für mich, die ich beide Fotografen gut kannte, sind klare Zuweisungen zu einem Autor zuweilen schwierig. Jedoch kann ich nach umfangreichen Recherchen mit Bestimmtheit sagen, dass über 90 Prozent der hier ausgestellten Fotos aus dem Schulblatt-Archiv von Franz Gloor gemacht wurden. Dass Roland Schneiders Name dennoch im Titel der Ausstellung aufscheint, hat zuallererst mit der Ateliergemeinschaft und dem gemeinsamen Stempel dieser so unterschiedlichen Temperamente zu tun.
Als es nun faktisch darum ging, eine gültige Ausstellung aus dem Material des dem Verein Archiv Olten übergebenen Schulblatt-Archivs zu gestalten, kamen Heinz Gloor, Christian Amoser, Martin Schaffner und ich im heissen August im Haus von Martin zusammen, um eine erste Auswahl zu treffen. In einem weiteren Schritt führten Martin Schaffner, der junge Fotograf Florian Amoser, der für die technische Umsetzung gewonnen werden konnte, und ich das weitere Auswahlverfahren fort und führten lebhafte Diskussionen über verschiedene Varianten der Darstellungsform. Jetzt wurde es komplexer, da wir alle drei möglichst viele Bilder zeigen wollten und gleichzeitig von der Vorstellung einer optimalen Ausstellung geleitet waren. Die Hahnen- und Hennenkämme wurden ausgefahren. Doch gleichsam inspiriert durch den versöhnlichen Geist von Franz fanden wir einvernehmlich zu dieser Lösung einer Präsentation, hinter der wir felsenfest stehen können. Für mich war es sehr schön zu sehen, dass der 1990 geborene Florian Amoser die Qualität der Bilder von Franz Gloor ganz ähnlich zu werten wusste wie Martin und ich, die wir Franz doch bezüglich Geburtsjahrs wesentlich näher stehen. Jedenfalls war es eine wunderbare und inspirierende Zusammenarbeit, und es hat richtig Freude gemacht.
Es bleibt mir zu danken – normalerweise dankt man hier kapitalstarken Institutionen wie Kantonen, Lotteriefonds, Stiftungen: weil die Ausstellung aber als quasi Versuchsballon für die weitere Ausrichtung des Vereins Archiv Olten recht kurzfristig zustande kam, wurden keine Geldgeber angefragt. Mein Dank gilt daher vornehmlich Martin Schaffner, dass er nach mehreren gemeinsamen Projekten in Olten und Solothurn für den Verein Archiv Olten eine weitere Zusammenarbeit mit mir so enthusiastisch in die Wege leitete, und Florian Amoser, der weit mehr einbrachte als seine technische Brillanz und seinen mir sehr vertrauten Hang zur Perfektion. Ich denke, Franz wäre zufrieden mit dem Ergebnis. Schauen Sie sich um!